
Mein Tansania
Ankunft
Da saß ich also. In der Ethiopian Airlines Maschine war es überraschend leer und ich schaute voller Spannung auf den Monitor vor mir. So viele Unterhaltungsmöglichkeiten, damit konnte ich mich gut beschäftigen in den nächsten Stunden. Dabei kreisten meine Gedanken ohnehin nur um das große Unbekannte, das auf mich wartete. Das Abenteuer, auf das ich die letzten Monate sehnlichst gewartet hatte, lag nun direkt vor mir. Die vielen Gespräche und Stories, die ich in den letzten Wochen geführt und gehört hatte, verstärkten die Vorfreude und brachten mir erste Vorstellungen darüber, was mich erwarten würde. Die Ankunft in Tansania, einer für mich neuen Welt, sie war in greifbarer Nähe. Der Flieger hob ab und ich ließ mich in den Sitz sinken, mit einer großen Vorfreude im Bauch und Aufregung im Herzen. Die Reise hatte begonnen.

Nachdem die wichtigsten Besorgungen erledigt waren, ging es von Moshi in Richtung Kahe, wo ich die nächsten knapp zwei Monate verbringen würde. Ich hörte bereits viel über den Weg dorthin. Und tatsächlich, es war wohl die holprigste und mit unendlichen Schlaglöchern versehene „Straße“ auf der ich jemals gefahren bin. Diese ungewöhnliche Einfachheit faszinierte mich von Beginn an. Es ist halt so, wie es ist. Wir machen das Beste daraus.
Im Elternhaus von Peter angekommen, lernte ich die Familie kennen und bekam mein Zimmer. Peter reichte mir als erstes ein Glas Wein und drückte mir eine frische Mango in die Hand. So stellt man sich doch ein gelungenes Willkommen vor. Alles war ungewohnt für mich, ich war in einer komplett neuen Welt. Doch ich fühlte mich gut, war froh endlich dort zu sein.

Erste Tage – emotionaler Struggle, Faszination, Abenteuer, Besuch in der Schule
Es ging direkt los: Spritztour mit dem Motorrad ins abgelegene nirgendwo, um frisch gefischte Fische zu verspeisen, tansanischer Gottesdienst, traditionelles Clan-Meeting, Besichtigung eines Massai-Dorfs.
Jede Menge frische saftige Mangos und Bananen, Chai (traditioneller Zitronen-Kräuter-Tee in Tansania) und ganz viel unbekanntes Essen, Bauchschmerzen inklusive. Die ersten Tage waren eine Achterbahn der Gefühle. Auf der einen Seite die Begeisterung und Faszination für dieses wunderschöne Land, die lockere Lebensweise der Einheimischen, das angenehme, jedoch zum Teil auch sehr heiße Wetter, die Gastfreundschaft und die faszinierenden Sonnenauf- und untergänge. Auf der anderen Seite allerdings dieses komplett neue Gefühl, der einzige hellhäutige Mann zu sein, von allen und jedem angestarrt zu werden wie eine Lichtgestalt und natürlich die Schwierigkeit, nichts bis kaum etwas zu verstehen. Dennoch war ich unglaublich dankbar, dass mir das Leben so eine Chance bot und so ließ ich mich mit offenem Herzen auf die kommende Zeit ein.

Besonders in Erinnerung bleibt mir dabei der erste Besuch in der Samali Primary School in Kahe. Der Ort, an dem ich für die nächsten sieben Wochen hauptsächlich sein würde und ehrenamtlich arbeiten sollte. Dort angekommen sah ich, wie alle Schüler unter dem großen Baum im Schatten saßen und gemeinsam ihr Gebet sprachen. Es war Freitagnachmittag, kurz nach der letzten Schulstunde. Ich lief mit Peter den Weg entlang und die ersten sichteten mich, den Neuankömmling. Ein paar skeptische Blicke hier, ein paar aufgeregte Fingerzeige zu Freunden und ein paar strahlende Gesichter mit winkender Hand waren die ersten Dinge, die ich dabei wahrgenommen habe. Ein weiterer Besucher aus einem fernen Land hatte den Weg zur Schule gefunden, die Aufregung war dementsprechend groß.
Mein erster direkter Kontakt mit den Kids von Nafasi war am nächsten Tag. Peter und Rose, seine Frau und „Mutter“ aller Kinder dieses Projekts, stellten mich vor. Danach richtete ich ein paar Worte an die Kinder. Allerdings ist mir dort schnell aufgefallen, dass ich doch ein wenig langsamer Englisch sprechen sollte. Schließlich lernen sie die für sie fremde Sprache noch, wobei das Englischniveau dieser Kinder tatsächlich bemerkenswert ist. Natürlich hatte ich für sie etwas aus Deutschland dabei: Eine Botschaft der Familie Sommer sowie meiner eigenen, einen ganzen Koffer voller Badeklamotten, die Rose für die Kinder erbeten hatte, und die Freundschaftsbriefe aus einer deutschen Schule. In den Blicken der Kinder las ich funkelnde, pure Vorfreude, gepaart mit einer gewissen Zurückhaltung. Ich war erstaunt über die Ruhe, die herrscht, sobald ein Lehrer oder eine Lehrerin spricht und mit welchem Respekt diese Kinder folgten.

Nachdem wir gemeinsam die Klamotten fair verteilt hatten, waren die Briefe dran. 38 Stück für 38 Kinder. Eine Nachricht von einem Freund aus Deutschland, wie cool! Jedes von ihnen tauchte gespannt in seinen jeweiligen Brief ein, die Mundwinkel weit oben. Die Kinder bekamen dabei den Auftrag, ihren neuen FreundInnen bis zum Ende meines Aufenthalts zu antworten. Es sollte nur die erste von vielen Situationen sein, in denen ich merkte, wie dankbar diese Kinder für alle Gesten sind und wie sehr sie sich darüber freuen, wenn man an sie denkt.
Unterricht und Spiele mit den Nafasi-Kids
In den nächsten Tagen und Wochen lernte ich die Kinder, Peter & Rose und die Familie sowie auch das Leben in Tansania immer besser kennen. Ich fühlte mich wohl, hatte viel Zeit zur Selbstreflexion. Die neuen Eindrücke und Erfahrungen waren sehr große Inspirationsquellen. Nach der ersten Eingewöhnungsphase, in der ich vor allem Peters Arbeitsalltag kennenlernte und ihm dabei unter die Arme griff, war es an der Zeit, endlich das zu tun, wofür ich dort war: Den Kids meine Kenntnisse über Sport & Games näherzubringen.

Es begann, als ich eines Tages unter dem großen Baum im Schatten saß. Ich schrieb die letzten Zeilen meines Tagebucheintrags, als ein Junge plötzlich vor mir stand und gespannt darauf schaute, was ich da gerade tat. Er hatte eine seiner vielen Zeichnungen dabei, die er mir stolz zeigte. Er hat Talent dafür, definitiv. Ehe ich mich versah, standen plötzlich drei, dann fünf und plötzlich 15-20 Kinder um mich rum. „Was mach ich denn nun?“ fragte ich mich, leicht überfordert. Die Lösung: Ich erklärte ihnen kurzerhand das Spiel „TicTacToe“ und ließ sie dann gegeneinander spielen. Sie hatten sichtlich Spaß daran. Ein paar Tage später folgte „Blinde Kuh“. Es war sehr amüsant für alle Beteiligten.
Zu anderer Gelegenheit ließ ich den sportlichen Aspekt mehr einfließen. Ich hatte eine Handvoll Jungs vor mir, die nicht wussten, was sie gerade mit sich anfangen sollten. Also fragte ich: „Do you know, how to do push-ups?“. Sie schauten mich an, nickten und waren sofort auf dem Boden, um voller Stolz ihr Können zu präsentieren. „Sir, look!“ – ein Satz den ich in diesem Moment, das erste, aber nicht das letzte Mal zu hören bekam. Daraufhin zeigte ich ihnen noch Kniebeugen und sämtliche Variationen von Liegestützen.
Doch dieses Training sollte nicht das Letzte bleiben. Als wir eines Tages alle gemeinsam gegessen hatten, fanden wir uns auf der großen Wiese wieder. Die Kinder saßen gespannt vor mir und warteten darauf, dass irgendetwas passiert. „Do you want to do push-ups?“ – fragte ich, eher aus Spaß mit der Erwartung, nach dem Mittagessen und mit vollen Mägen eher ein „Noooo“ zu hören. Doch diese Kinder sind anders… Ein lautes „Yeeeeees“ ertönte und die ersten legten unverzüglich los. Ich freute mich: „Shall I join you?!“ – fragte ich noch einmal lauter, um die Stimmung zu testen. Abermals kam ein lautes: „Yeeeeees!“. Also gut, das lasse ich mir bestimmt nicht dreimal sagen. „Here we go!“, 38 Kinder, Mädchen wie Jungen gingen gemeinsam in die Liegestützposition. „We count from 20!“ – und so machten wir alle gemeinsam unsere ersten 20 Liegestützen. Laut, voller Freude und einfach den Moment genießend. Das Ganze wiederholten wir dann noch mit anderen Übungen. Abermals hatte mich die großartige Begeisterungsfähigkeit dieser Kinder in den Bann gezogen.
In den Tagen darauf sollte dann auch das Fußballtraining starten. Mit 12 Jungs, die vom Sportlehrer ausgewählt wurden, fingen wir mit den Fußballtrainings an. Ich zeigte den Kindern neue Trainingseinheiten und wie sie an spezifischen Techniken feilen konnten. Mit meinen sieben Jahren Fußballerfahrung im Verein (und gebürtig aus dem Fußballland Deutschland stammend) konnte ich nun meine Erfahrungen weitergeben. Die Kinder waren sehr diszipliniert, lernten schnell und fingen auch ohne Anweisung von sich aus mit Übungen an. Jeder von ihnen hatte den Willen, besser zu werden. Es war sehr schön anzusehen, dass die Methoden ihre Wirkung zeigten.
Persönliche Erlebnisse (Kilimandscharo, Safari, Kilimandscharo Marathon, Bisquits und Ziege für alle!)
Um all meine persönlichen Erlebnisse detailliert zu erzählen, bräuchte es vermutlich drei Blogs und noch mehr Worte. Dennoch möchte ich kurz über meine persönlichen Highlights in Tansania berichten.
Tansania bietet viele Abenteuer. In Kahe hatte ich den schönsten Blick auf den Kilimandscharo. Natürlich wollte ich diesen Berg besteigen, es war für mich geradezu eine sportliche Verpflichtung, die Spitze des 5895 Meter hohen Berges zu erklimmen. Also machte ich mich am 17.02.2023 für 5 Tage auf den Weg. Auf den Punkt gebracht: Es war hart! Die körperlichen Qualen und die mentale Herausforderung waren jedoch vergessen, als ich drei Tage später in den ganz frühen Morgenstunden auf dem Gipfel dieses gewaltigen Bergs von der aufgehenden Sonne begrüßt wurde. Ein Erlebnis fürs Leben. Dabei hat mich die Hilfe und Lockerheit meines Guides Peter jeden Tag motiviert und zu Höchstleistungen gepusht. Ein weiterer Peter also, der mir in dieser Zeit half, viel Neues zu entdecken.

Das zweite wichtige Ziel dieser Reise war, mein Lieblingstier, den Löwen, in seiner natürlichen Umgebung zu sehen und zu erleben. Also beschloss ich für vier Tage den Serengeti & Tarangire Nationalpark, als auch den Ngorongoro Crater zu besichtigen. Das Glück war dabei auf meiner Seite. Großartige Leute aus unterschiedlichen Nationen, einen witzigen Guide und das Glück, die ‚Big Five‘ direkt und von Nahem zu sehen. Es ist berührend, diese mächtigen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben, anstatt eingesperrt in Käfigen im Zoo.

Das dritte große Ereignis war der Kilimandscharo-Marathon. Drei Tage nach Rückkehr vom Kilimandscharo spürte ich meine Beine noch sehr. So entschied ich mich, den fünf Kilometer langen „Fun-Run“ mit den Kids zu machen. Peter dagegen zog den 21 km Halbmarathon durch. Die Stimmung vor Ort war gigantisch. Menschen aus aller Welt versammelten sich, um vor dem Start zu lauter Musik ein gemeinsames warm-up zu machen. Die Spitze des Kilimandscharo winkte uns zu, die Sonne ging auf und die Kids waren voller Vorfreude. Das Leben konnte wieder einmal nicht besser sein!

Zurück zum Thema Dankbarkeit und Fröhlichkeit der Kinder. Während einer Fahrt auf dem Motorrad mit Peter dachte ich mir: „Ich möchte den Kids eine Freude machen“. So besorgten Peter und ich in Moshi eine ganze Kiste voller Kekse für alle Schülerinnen und Schüler. In der Schule angekommen, versammelten sich die Kinder vor dem Schulleiterzimmer. „You can be proud of yourself! Keep up the good work and continue your learning efforts.“ Die strahlenden Augen haben mich sehr berührt. Doch die mit Abstand verrückteste, als auch prägendste Erfahrung sollte noch kommen.
In Tansania ist es üblich, zu besonderen Anlässen eine Ziege zu schlachten, um sie dann gemeinsam zu verzehren. Allerdings geht man dazu nicht einfach zum Metzger. Peter und ich fuhren also mit dem Motorrad in ein Massai-Dorf, um dort eine Ziege zu besorgen. Allein der Transport war schon ein Spektakel für sich. Anderes Land, andere Sitten eben. Schon vor den Toren der Schule – es war bereits später Abend – hörten die Kinder das Gemecker der Ziege. „Mbuzi! Mbuzi! Mbuzi!“ rief es von allen Seiten. Sie freuten sich auf eine leckere und besondere Mahlzeit. Voller Begeisterung standen sie um uns herum. Doch in mir meldete sich mein Gewissen, schließlich stand mir die Schlachtung eines lebendigen Wesens bevor. Eine Situation wie diese war neu, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Auf der einen Seite freute ich mich und war genauso aufgeregt, auf der anderen Seite tat mir die Ziege leid. Doch das ist nun mal der Kreislauf des Lebens.
Am nächsten Tag war es dann so weit. Wir schlachteten die Ziege gemeinsam, nahmen sie aus und machten daraus eine Ziegensuppe. Erstaunlich, wie viele Menschen von einem einzigen Tier satt werden können. Peter kreierte aus der Haut kurzerhand eine Trommel. Das fand ich persönlich ziemlich beeindruckend. Am Abend gönnten Peter und ich uns noch den Rest der Ziege bei einem leckeren Barbeque an dem Ort, der innerhalb dieser zwei Monate mein liebster Entspannungsort war: der Kando-Park.

Erkenntnisse und Lehren aus meiner Zeit in Tansania
Nach knapp zwei Monaten ging meine Zeit in Tansania zu Ende. Sieben Wochen in einer komplett anderen Welt, weit weg von Familie und Freunden, in einer fremden Sprache … nun hatte ich jede Menge neue Erlebnisse und Erfahrungen im Gepäck.
Diese Zeit war prägend. Ich lernte, noch einmal mehr wertzuschätzen, in welchem Reichtum wir in Deutschland leben und wie einfach es sich bei uns leben lässt, verglichen mit Afrika. Die tägliche Armut auf den Straßen zu sehen, der viele Müll, der an den Straßen liegt, und Kinder, die mit improvisierten Bällen und kaputten Schuhen Fußball spielen – das waren alles Momente, die mich schlucken und demütig werden ließen. Wie kann es sein, dass wir uns dennoch so oft beklagen und beschweren? Zudem hat mich die Gemeinschaft und das Zusammenhalten in Tansania sehr inspiriert. Die Atmosphäre, der Umgang miteinander scheint mir offener und hilfsbereiter als in Europa. Bleibt ein LKW mitten auf der Straße liegen, halten sofort Menschen an, um das Gefährt wieder anzuschieben. Das nenne ich Hilfsbereitschaft! Besonders ein Lebensmotto der Tansanier blieb mir im Kopf und hilft mir, wenn ich mich wieder einmal zu sehr stressen sollte: „Pole Pole“ – „Langsam langsam.“
Danke
Zum Schluss möchte ich mich herzlich bei Falk, Jacqueline, Niklas und Emilia bedanken, die dort ein unglaubliches Projekt auf die Beine gestellt haben und die sich voller Leidenschaft und Hingabe für die Kinder einsetzen. Eure Hilfestellungen und Beistand, wenn es mal schwierig wurde, haben mir unglaublich weitergeholfen.
Zusätzlich spreche ich einen Riesendank an Mama Peter, Rose, Mangi und Ester aus, bei denen ich über diese knapp zwei Monate leben durfte. Ihr habt euch gut um mich gekümmert und eure Gastfreundschaft wird mir für die Zukunft immer im Gedächtnis bleiben. Diesbezüglich konnte ich viel von euch lernen.

Die Kids von Nafasi werden selbstverständlich ebenfalls für immer ein Teil meines Herzens sein. Eure Fröhlichkeit, Lockerheit und Offenheit waren die zusätzlichen Sonnenstrahlen auf meiner Haut und in den Augen. Ihr verdient ein wunderbares Leben mit vielen großartigen Erfahrungen. Danke, dass ich bei euch sein durfte!
Mein letzter Dank gehört dem Mann, mit dem ich die letzten zwei Monate die meiste Zeit verbracht habe und viele tiefgründige, interessante und anregende Gespräche führen konnte. Der zudem mit seiner Einstellung und seinem Willen, diese Schule und das Projekt jeden Tag ein Stückchen besser macht, ein großes Vorbild für mich und natürlich ein guter Freund geworden ist. Peter F. Lelo, der Mann, bei dem das Telefon wohl nie aufhört zu klingeln, weil er sich um alles und jeden kümmert. Asante sana, ich danke dir für alles, was du mir beigebracht hast! Wir sehen uns wieder!